
Eine Familienaufstellung ist eine therapeutische Methode aus der systemischen Therapie und wurde vor allem durch Bert Hellinger bekannt gemacht. Ziel ist es, verborgene Dynamiken und ungelöste Konflikte innerhalb eines Familiensystems sichtbar zu machen, um emotionale Belastungen, wiederkehrende Probleme oder festgefahrene Beziehungsmuster besser zu verstehen und aufzulösen.
Ich erkläre dir die Methode Schritt für Schritt:
1. Grundprinzip
Die Idee basiert auf dem Gedanken, dass wir alle Teil eines größeren Familiensystems sind und dass ungelöste Konflikte, Traumata oder Schicksale innerhalb der Familie über Generationen hinweg wirken können.
Manchmal übernehmen Nachkommen unbewusst „fremde“ Lasten, z. B. Schuld, Trauer oder Rollen von Vorfahren.
2. Ablauf einer klassischen Familienaufstellung
a) Anliegen klären
- Die aufstellende Person (oft „Klient*in“ genannt) bringt ein Anliegen mit, z. B.:
- wiederkehrende Konflikte,
- Beziehungsprobleme,
- Gefühle von Schuld, Angst oder Blockaden,
- psychosomatische Beschwerden.
- Der/die Therapeutin („Aufstellungsleiterin“) fragt gezielt nach der Familiengeschichte.
b) Aufstellung der Stellvertreter
- Anwesende Teilnehmer werden als Stellvertreter für Familienmitglieder gewählt.
- Diese werden im Raum so positioniert, wie der/die Klient*in intuitiv empfindet.
- Durch ihre Körperhaltung, Blickrichtungen und spontanen Gefühle zeigen sich oft verborgene Spannungen oder Bindungen.
c) Dynamiken sichtbar machen
- Der/die Leiter*in beobachtet das „Beziehungsfeld“ und erkennt Muster:
- Wer „gehört“ dazu, wer wurde ausgeschlossen?
- Gibt es verdeckte Loyalitäten, Schuld oder unbewältigte Traumata?
- Wo herrschen unterdrückte Emotionen?
d) Lösungssätze & Neuordnung
- Der/die Leiter*in formuliert Lösungssätze, die Stellvertreter wiederholen, z. B.:„Ich ehre dein Schicksal und lasse die Verantwortung bei dir.“
- Dadurch soll das familiäre System neu geordnet und entlastet werden.
3. Ziele
- Verständnis für familiäre Verstrickungen entwickeln.
- Emotionale Blockaden lösen.
- Beziehungen harmonisieren.
- Innere Ruhe und Klarheit fördern.
4. Wissenschaftliche Einordnung
- Evidenzlage: Familienaufstellungen sind keine evidenzbasierte Therapie im engeren Sinn wie z. B. kognitive Verhaltenstherapie oder EMDR.
- Allerdings zeigen viele Menschen subjektive Verbesserungen in Bezug auf:
- emotionale Entlastung,
- Selbstakzeptanz,
- Beziehungen.
- Studienlage: Einzelne Untersuchungen weisen auf mögliche Effekte hin, aber die methodische Qualität ist oft begrenzt.
5. Kritikpunkte
- Suggestibilität: In Gruppen kann es zu starken emotionalen Reaktionen kommen.
- Abhängigkeit: Manche Konzepte von Bert Hellinger wurden kritisiert, weil sie teilweise autoritär wirken.
- Traumabewältigung: Bei schweren Traumata sollte vorsichtig vorgegangen werden, da unbegleitete Retraumatisierungen möglich sind.
6. Moderne Weiterentwicklungen
Viele Therapeut*innen haben die Methode weiterentwickelt, z. B.:
- Systemische Strukturaufstellungen (SySt® nach Varga von Kibéd & Sparrer)
→ wissenschaftlich fundierter, breiter anwendbar. - Online-Aufstellungen
→ inzwischen auch virtuell möglich, z. B. mit Avataren. - Integration in Coaching & Traumatherapie
→ sanftere Ansätze, oft kombiniert mit EMDR oder Hypnotherapie.
Fazit
Eine Familienaufstellung ist kein Allheilmittel, aber sie kann sehr wirkungsvoll sein, um unsichtbare Bindungen und Konflikte sichtbar zu machen und emotionale Klarheit zu gewinnen.
Sie ist besonders interessant, wenn du das Gefühl hast, dass familiäre Themen dich unbewusst beeinflussen oder dass wiederkehrende Muster dich blockieren.